Sonntag, 17. Juli 2016

Es war das letzte Silvester mit ihm - und seinem Fanclub. Wir wohnten im 7. Stock eines Hochhauses und natürlich wollte er bei uns Silvester mit seinen Freunden feiern. Zwei Paar, davon eines mit Baby. Die wohnten sogar seit einiger Zeit in einer Straße nebenan. Weil er es - in seiner gewohnt euphorischen und liebenswerten Art denen schmackhaft machte, wurde es so gemacht. Das Baby sollte in unserem Schlafzimmer zu Bett gebracht werden.

Weil der Arme Asthma hatte (neben Rücken, Neurodermitis, Bindehautentzündungen und - natürlich immer zu ihm passenden Gelegenheiten, also wenn er mir einen Spaß verderben konnte - Kopfschmerzen und natürlich noch vielen anderen Wehwehchen für die ich ihn pampern durfte) hatte er das Oberfenster über unserer Schlafzimmertür ausgebaut. Damit die Katzen (die er, wiedereinmal mir ganz euphorisch aufschwatzend gewollt hatte - die anderen hatten nähmlich auch Katzen!) nachts nicht in Schlafzimmer kommen und durch ihre Haare (wie viele Stunden meiner Freizeit ich damit verbrachte mit Fusselrolle durch die Wohnung zu laufen und die Katzenhaare möglichst gut zu beseitigen!) schuld an einem Asthmaanfall sind, musst die Tür zugelassen werden.
Außerdem war das natürlich eine Disziplinierungsmaßnahme, wenn die Katzen nachts maunzend vor der Tür hockten und nicht rein durften. Genauso wie morgens, wenn er das Füttern der Katzen so lange hinauszögerte wie es ging, egal wie sehr diese maunzten und hungrig herumliefen. Bis er sich dann gnädig dazu herabließ sie zu füttern. Wehe ich hielt mich nicht an seine Regel, dann durfte ich mit schweigender Geringschätzung rechnen...

Also der Silvesterabend. Da es nun also beschlossen war, dass aufgrund der tollen Aussicht bei uns gefeiert wurde und das Baby bei uns schlafen gelegt werden sollte, wies ich ihn darauf hin, dass es wohl wenig bringen würde, wenn wir laut in der Wohnung feiern und der ganze Lärm durch das Loch über der Tür dringen und das Baby stören würde. Ich erinner mich gut. Er glotzte mich sekundenlang an, bis ihm ein Licht aufzugehen schien. Und dann wurde flux und brav das Loch über der Tür endlich einmal wieder mit der Glasscheibe dicht gemacht.

Also der Silvesterabend. Sein Fanclub war bei uns und es war soweit ein netter Abend. Abgesehen davon, dass ich wie immer die Dienstmagd spielen konnte wären der gute Mann keinen Finger rührte und "seine Kumpels" ihm auch noch das Grillen auf seinem heißgeliebten Gasgrill abgenommen haben. Er hatte wieder mal alle fest im Griff..
Ich war die einzige die sich daran störte. Ich war ja auch die einzige die mit seiner Aufgabendeligierung tagtäglich gelebt hat. Aber ich hüttete mich, meinen Frust zu zeigen, dann wäre ich nur die zickige Alte und er der arme, so gute Kerl. Vor allem wo er doch mal wieder die Frauen mit Aufmerksamkeit und schmierigen Komplimenten überschüttete und diese sich unter seiner Behandlung sonnten.

Oh, und wie nett er zu mir war. Naja, eigentlich hat er mich den ganzen Abend übersehen, so wie die anderen. Aber dass bildete ich mir natürlich nur ein, weil ich so überempfindlich war. Auch dass ich mich so ausgehöhlt und taub fühlte, lag nur an meinem negativen, depressiven Charakter.
Also er war nicht unfreundlich zu mir, nein, ich war halt einfach so da und habe meine Aufgabe erfüllt und bin nicht aus meiner Rolle gefallen. Zu Mitternacht dann wurde natürlich mit allen angestoßen und umarmt. Zum Schluß kam mein toller Mann auch zu mir und gab mir einen langen herzlichen Kuss auf dem Mund, den natürlich alle mitbekamen. Ich war regelrecht verwirrt und überrumpelt, wusste dies natürlich gut zu überspielen.

Alle hatten sich gut amüsiert und der Balkon bliebt mit festgepappten Konfettie-Schnitzeln auf dem feuchten Balkonboden (zu meinem persönlichen Amüsement am nächsten Tag - denn wer war wohl alleinig dafür verantwortlich das weg zu kriegen) zurück.

Wir verabschiedeten uns herzlich und guter Laune von den Freunden. Mein Mann scherzte mit allen und war bester Dinge, stellte sich bei der Verabschiedung dicht neben mich und wir waren das fröhlichste Paar guter Gastgeber, dass man sich vorstellen konnte.

Kaum war die Tür hinter den Gästen zu - veränderte sich seine ganze Mimik und Gestik. Sein Gesichtsausdruck wurde starr, er dreht sich um und begann schweigend die Gläser in die Küche zu räumen. Ich begann natürlich auch aufzuräumen und wollte fröhlich mit ihm den netten Abend rekapitulieren, noch ein wenig nett Plaudern, während wir das gröbste aufräumten. Von ihm: eisiges Schweigen! Er redete kein Wort mit mir, erwiederte keine meine munteren Fragen. Sein Schweigen war so eisig, seine Bewegungen und seine ganze Körpersprache so ablehnend, dass es mich in allergrößte Verwirrung stürzte. Irgendetwas in mir gefror und ich verstummte verwirrt und ratlos. Es war, als ob er mit dem Verlassen der Gäste einen Schalter umgelegt hätte und von jetzt auf gleich seine Stimmung um 180 Grad gedreht hätte. Gegen mich gedreht.

Ich fragte ihn, ob irgendetwas wäre. Er verneinte eisig. Das verwirrte mich noch mehr - was hatte ich bloß wieder falsch gemacht? Aber ich sagte nun auch nichts mehr, ich war erstarrt. Schweigend räumten wir weiter auf und gingen schweigend ins Bett.

Ich werde diesen Abend nie vergessen. Es war einer der ersten Vorfälle die meine bereits lange bestehende Dissoziation ein wenig durchdrungen. Etwas begann sich in meinem Unbewussten an die Oberfläche zu quälen. Weil es mich begann mehr zu quälen, als ich es ertragen konnte...

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